Singen & Corona

Eine Materialsammlung für Sänger*innen und Chöre

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themen:berliner_singverbot

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themen:berliner_singverbot [2020-07-20 19:38]
berlindave [Chorverband Berlin e.V.]
themen:berliner_singverbot [2020-07-21 18:36] (aktuell)
berlindave Prof. Dr. Dirk Mürbe
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 ===== Entscheidung des Senats ===== ===== Entscheidung des Senats =====
  
-Am 23. Juni 2020 hat der Berliner Senat in seiner Sitzung die SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung beschlossen. Diese Verordnung löste die seit Mitte März gültige SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung ab. In einer [[medien:berlin2020-06-23|Pressemitteilung am selben Tag]] werden die wichtigesten Punkte der neuen Verordnung aufgelistet. Unter „Weitere Hygiene- und Schutzregeln für besondere Bereiche (Auswahl)“ steht als erster Punkt der lapidare Satz: **In geschlossenen Räumen darf nicht gemeinsam gesungen werden.**+Am 23. Juni 2020 hat der Berliner Senat in seiner Sitzung die SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung beschlossen. Diese Verordnung löste die seit Mitte März gültige SARS-CoV-2-Eindämmungsmaßnahmenverordnung ab. In einer [[medien:berlin2020-06-23|Pressemitteilung am selben Tag]] werden die wichtigsten Punkte der neuen Verordnung aufgelistet. Unter „Weitere Hygiene- und Schutzregeln für besondere Bereiche (Auswahl)“ steht als erster Punkt der lapidare Satz: **In geschlossenen Räumen darf nicht gemeinsam gesungen werden.**
  
 In der [[medien:berlin2020-06-23#pressekonferenz|Landespressekonferenz mit dem Berliner Senat, ebenfalls am 23. Juni]] geht der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, in einer Antwort auf eine Frage auch auf dieses Singverbot ein, erläutert die Gründe dafür und nennt als Berater, dessen Expertise zu dieser Entscheidung geführt hat, namentlich Prof. Dr. Christian Drosten. In der [[medien:berlin2020-06-23#pressekonferenz|Landespressekonferenz mit dem Berliner Senat, ebenfalls am 23. Juni]] geht der Regierende Bürgermeister, Michael Müller, in einer Antwort auf eine Frage auch auf dieses Singverbot ein, erläutert die Gründe dafür und nennt als Berater, dessen Expertise zu dieser Entscheidung geführt hat, namentlich Prof. Dr. Christian Drosten.
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 Der Chorverband antwortet gemeinsam mit dem Landesmusikrat Berlin am 29. Juni auf das Schreiben des Senators Lederer und drückt noch einmal sein Unverständnis darüber aus, dass es, obwohl das vom Chorverband vorgelegte Positionspapier mit Prof. Dr. Mürbe und Prof. Dr. Gastmeier beraten worden und in Lederers Senatsverwaltung mit einer positiven Einschätzung aufgenommen worden sei, zu einer solchen Verordnung durch den Senat kommen konnte. Außerdem wird noch einmal auf ein zeitnahes Treffen mit Vertretungen der beteiligten Senatsverwaltungen, Vertreter*innen der Wissenschaft, des Chorverbands Berlin, des Landesmusikrats und Vertreter*innen den Kirchen gedrängt. Der Chorverband antwortet gemeinsam mit dem Landesmusikrat Berlin am 29. Juni auf das Schreiben des Senators Lederer und drückt noch einmal sein Unverständnis darüber aus, dass es, obwohl das vom Chorverband vorgelegte Positionspapier mit Prof. Dr. Mürbe und Prof. Dr. Gastmeier beraten worden und in Lederers Senatsverwaltung mit einer positiven Einschätzung aufgenommen worden sei, zu einer solchen Verordnung durch den Senat kommen konnte. Außerdem wird noch einmal auf ein zeitnahes Treffen mit Vertretungen der beteiligten Senatsverwaltungen, Vertreter*innen der Wissenschaft, des Chorverbands Berlin, des Landesmusikrats und Vertreter*innen den Kirchen gedrängt.
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 +==== Rundfunkchöre ====
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 +Die beiden Berliner Rundfunkchöre, der Rundfunkchor Berlin und der RIAS Kammerchor haben sich am Montag nach Inkrafttreten der Verordnung zu einem erzwungenermaßen letzten Dienst in der Spielzeit im Großen Sendesaal im Haus des Rundfunks an der Masurenallee versammelt und ein Video produziert, in dem sie gemeinsam ihren stummen Protest gegen die Verordnung zum Ausdruck bringen.
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 +Das eindrucksvolle Video mit dem Titel **„Zum Schweigen gezwungen“** erschien am 2. Juli 2020 jeweils auf den YouTube-Kanälen der beiden Chöre:
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 +  * [[https://www.youtube.com/watch?v=BMNRHDaprJo|Rundfunkchor Berlin]]
 +  * [[https://www.youtube.com/watch?v=6oePylC5xoM|RIAS Kammerchor Berlin]]
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 +==== Deutsche Orchestervereinigung e. V. (DOV) ====
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 +**Gerald Mertens**, Geschäftsführer der Musikergewerkschaft DOV, in der auch die Sänger*innen der deutschen Rundfunkchöre organisiert sind, schreibt [[medien:orchesterland2020-06-26|am 26. Juni 2020 auf den von ihm betriebenen Blog OrchesterlanD]]:
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 +> […] Da diese Faktoren in der Verordnung völlig ausgeblendet werden, ist ein pauschales Gesangsverbot unzulässig und unverhältnismäßig, u.a. da damit massiv in die Kunstfreiheit und die Berufsfreiheit (Art. 5 und 12 GG) eingegriffen wird. Hoffentlich setzen sich unmittelbar Betroffene hiergegen umgehend rechtlich zur Wehr.
 +
 +==== Deutscher Musikrat ====
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 +Auch Prof. **Christian Höppner**, Generalsekretär des Deutschen Musikrat e. V. [[https://www.musikrat.de/aktuelles/detailseite/gemeinsames-singen-in-geschlossenen-raeumen-nicht-pauschal-verbieten-deutscher-musikrat-fordert-bessere-koordination-der-studienlage-durch-die-bundesregierung|kritisiert am 29. Juni 2020]]:
 +
 +> Die Entscheidung des Berliner Senats, gemeinsames Singen in geschlossenen Räumen zu verbieten, ist nicht nur unverhältnismäßig, sondern offenbart ein erschreckendes Kulturverständnis. Der Deutsche Musikrat fordert den Berliner Senat auf, diese Entscheidung zu revidieren. Singen ist elementar für die Kulturnation Deutschland und unter Wahrung der Hygienevorschriften sehr wohl in geschlossenen Räumen möglich. Vom Singen ‚befreite‘ Kindertagesstätten, Schulen, Musikschulen und Konzerthäuser würden das Ende gestaltender Kulturpolitik bedeuten und wären die furchtbare Vision einer verstummten Nation. […]
 +
 +(vgl. [[medien:rbb2020-06-29|rbb Inforadio 29.06.2020]])
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 +==== Evangelische Landeskirche (EKBO) ====
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 +Auch der Landeskirchenmusikdirektor der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO), **Gunter Kennel**, meldet sich [[medien:tagesspiegel2020-07-06|am 6. Juli 2020 in einem Interview mit dem Tagesspiegel]] zu Wort und bringt die Absurdität der Verordnung auf den Punkt:
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 +> Genau genommen darf man ja nicht einmal in der eigenen Wohnung für ein Familienmitglied „Happy Birthday“ anstimmen. Oder man riskiert ein Bußgeld in Höhe von bis zu 25.000 Euro.
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 +==== Wissenschaftler ====
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 +=== Freiburger Institut für Musikermedizin (FIM) ===
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 +Die Wissenschaftler des Freiburger Instituts für Musikermedizin **(FIM)** zweifeln [[wissenschaft:spahn_c2020a#drittes_update_vom_1_juli_2020|im dritten Update vom 1. Juli 2020 ihrer Risikoeinschätzung]] die Evidenzbasierung der Entscheidung des Senats an:
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 +> Auch die in den einzelnen Bundesländern sehr uneinheitlichen Verordnungen, vor allem den Gesang betreffend – und hier insbesondere den Chorgesang –, werfen ganz neue Fragen auf. Während das Land Berlin in seiner aktuellen Corona-Verordnung (SARS-CoV-2-Infektionsschutzverordnung vom 23.06.2020), sängerische Aktivitäten von mehr als einer Person in geschlossenen Räumen komplett untersagt, hat das Land Rheinland-Pfalz nahezu zeitgleich seit dem 24.06.2020 das Chorsingen in geschlossenen Räumen unter Einhaltung strenger Hygieneregeln gestattet (10. CoBeLVO). Auch die uneinheitliche Betrachtung von sportlichen und musikalischen Aktivitäten, die sich in den Verordnungen der Länder national und international abzeichnet, gibt Anlass, die Evidenzbasierung dieser Entscheidungen zu hinterfragen.
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 +=== Prof. Dr. Matthias Echternach ===
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 +Prof. Dr. **Matthias Echternach** (LMU Klinikum München) sagte [[medien:ndr2020-07-03|am 3. Juli 2020 in einem Interview des NDR]]:
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 +> […] und auch ich habe Probleme zu glauben, dass die Maßnahmen in Berlin tatsächlich verhältnismäßig sind. Ich glaube, diese Vokabel von Ihnen, Herr Stäbler, ist sehr richtig hier angebracht((Marcus Stäbler, der das Interview führte, hatte in seiner Frage das Verbot als „total unverhältnismäßig“ bezeichnet.)). Ich glaube tatsächlich, dass wir guten Gewissens bald wieder singen können. Ich glaube gleichwohl, dass wir vielleicht mehr auf Abstände, Durchlüftung, vielleicht Singen mit Schutzmaßnahmen zurückgreifen müssen, das wird vielleicht die nächste Wahrheit werden.
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 +=== Prof. Dr. Dirk Mürbe (Charité Berlin) ===
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 +Prof. Dr. **Dirk Mürbe**, Direktor der Klinik für Audiologie und Phoniatrie der Charité Berlin zeigt [[medien:dlf_kultur2020-07-10|am 10. Juli in einem Interview mit DLF Kultur]] aufgrund Erkenntnissen einer u. a. von ihm durchgeführten Studie Wege aus dem Dilemma auf:
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 +> Jetzt ist die Möglichkeit nach den Untersuchungen, die in den vergangenen Wochen stattgefunden haben, dass man eigentlich sich von einem Pauschalverbot lösen kann und individuell für die jeweilige Situation die Chorprobe oder die Aufführung beurteilen kann. Das ist aufwändig für die Entscheidungsträger, die das beurteilen müssen, aber das ist letztendlich der Weg, um Singen zu ermöglichen, die individuelle Situation zu prüfen […]
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 +===== Medienberichte =====
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 +Eine Liste aller hier im Wiki erfassten Medienberichte zum Thema „Berliner Singverbot“:
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themen/berliner_singverbot.1595266693.txt.gz · Zuletzt geändert: 2020-07-20 19:38 von berlindave